2 – Belarus. Weißer Fleck
GEOMETR.IT zeit-fragen.ch 12.01.2016
Die Beziehungen mit Russland und der GUS
Belarus hat im Jahr 1998 beschlossen, eine Union mit Russland zu bilden. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind sehr eng, aber die Verhandlungen über die Bildung eines Unionsstaates sind nicht abgeschlossen. Belarus ist der größte Handelspartner Russlands. Das Land wickelt 60 % seines Handels mit Russland ab, von dem es über 90 % seines Energiebedarfs bezieht. Anfang 2015 wurde die Eurasische Union zwischen Russland, Weißrussland, Kasachstan und Armenien gebildet, die praktisch ein gemeinsamer Wirtschaftsraum ist.
Belarus hat seit der sowjetischen Zeit enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen mit der Ukraine.
- Die weißrussische Regierung lehnte die Maidan-Revolution und den Putsch in Kiew, aber auch die Sezession der Krim und ihre Rückkehr zu Russland ab, wie es alle Grenzveränderungen in Europa ablehnt, auch die Sezession Kosovos von Serbien. Es tritt für die Integrität der Ukraine ein und hat deshalb die Waffenstillstandsabkommen im September 2014 und im Februar 2015 in Minsk vermittelt. Dadurch kam es zu einer Verbesserung der Beziehungen zur EU.
- Die Präsidentschaftswahlen in Belarus am 19. Dezember 2010 hatten zu dem Ergebnis geführt, dass der amtierende Präsident Alexander Lukaschenko mit 79,6 % der Stimmen in seinem Amt bestätigt wurde, während die neun oppositionellen Kandidaten zusammen etwa 6 % der Stimmen erhielten. Der Rest waren Stimmenthaltungen. Dieses Ergebnis wurde auch von der GUS-Beobachterkommission und von unabhängigen Wahlbeobachtern bestätigt.
Die Strategie des Westens
Als Lukaschenko begann, die neu entstehende Oligarchie zu bekämpfen, änderte die EU ihren Kurs. Im Jahre 1997 traf der Rat der EU die Entscheidung, die politischen Beziehungen zu Belarus so lange einzuschränken, bis die weißrussische Führung auf den «Weg der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit» zurückkehrt.
- Die USA sind weiterhin ein kompromissloser Gegner des Sonderweges und der Souveränität von Belarus. Im Oktober 2004 unterzeichnete Präsident Bush den «Belarus Democracy Act», der vorsah, dass die Finanzhilfe für das Land nicht der Regierung und dem Staat, sondern nur der «demokratischen Opposition» zugutekommt und dass die Wirtschaftssanktionen aufrechterhalten werden.
- Damit werden umfangreiche Finanzmittel (jährlich bis zu 20 Millionen Dollar) für Nichtregierungsorganisationen, «Demokratieprojekte» und Medienkampagnen freigegeben. In seiner Rede in Wilna am 4. Mai 2006 griff der amerikanische Vizepräsident Dick Cheney Belarus scharf an und erklärte: «Es gibt keinen Platz in Europa für ein Regime dieser Art.»
- Im Mai 2008 brach die Regierung in Washington die diplomatischen Beziehungen mit Belarus ab und schloss die US-Botschaft in Minsk. Belarus wurde aufgefordert, ebenfalls seine Botschaft in Washington und das Konsulat in New York zu schließen.
- Am Abend des 19. Dezember 2010 protestierten mehr als 20 000 Demonstranten gegen das Wahlergebnis bei den Präsidentschaftswahlen, und eine Gruppe von einigen hundert radikalen Aktivisten versuchte, das Regierungsgebäude zu stürmen, um einen Umsturz wie in Kiew zu inszenieren.
Einer der Anführer war der Präsidentschaftskandidat Nikolaj Statkewitsch, der von einem Gericht später zu sechs Jahren Haft verurteilt, aber zusammen mit einer Reihe von anderen Rädelsführern im August 2015 wieder freigelassen wurde.
- Die EU verhängte auf Grund der Niederschlagung der gewaltsamen Oppositionsbewegung am 19. Dezember 2010 im März 2011 ein Einreiseverbot für etwa 150 führende weißrussische Funktionäre, Richter, Staatsanwälte und Journalisten sowie eine Kontosperre für diesen Personenkreis und für 15 führende Unternehmen. Trotzdem betrachtete Belarus die EU weiterhin neben Russland als gleichberechtigten Wirtschaftspartner.
- Eine Denkschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vom Mai 2011 enthält Vorschläge, die die Unterstützung der Entstehung einer auf den Westen hin orientierten Oligarchie und zudem die Anbindung prowestlicher Teile der weißrussischen Nachwuchseliten, vor allem von Studenten, beinhalten.
- Westliche Medien, die über Weißrussland berichten, konzentrieren sich auf die Kundgebungen der «demokratischen Opposition». Tatsache ist aber, dass fast alle Oppositionellen von Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie der Soros-Stiftung, der Euroatlantischen Vereinigung, der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Konrad-Adenauer-Stiftung oder der OSZE-Beobachtergruppe unterstützt und geschult werden.
- Die meisten dieser NGO operieren heute von den Nachbarländern aus, da die Regierung die Offenlegung der Finanzierung verlangt. Die EU-Kommission unterstützt Radiosendungen der BBC, der Deutschen Welle und des polnischen Rundfunks, die eigens für Weißrussland Nachrichten und Rockmusik bringen.
Zur westlichen Strategie gegen Belarus gehört auch das Projekt «Intermarium» (polnisch «Medzimorze» = das Land zwischen den Meeren, d. h. zwischen Ostsee und dem Schwarzen Meer). Das Projekt wurde vom polnischen Präsidenten Piłsudski nach dem Ersten Weltkrieg, der die Großmachtstellung Polens wie unter den Jagiellonen wiederherstellen wollte, ausgearbeitet. Heute wird es von den Neocons im State Department in Washington unterstützt. Das Ziel des Projekts ist eine Union zwischen Polen und der Ukraine und darüber hinaus mit Belarus, den baltischen Ländern, Tschechien, der Slowakei und Ungarn, um einen «cordon sanitaire» zwischen Deutschland und Russland zu errichten.
Die Präsidentschaftswahlen am 11. Oktober 2015
Alexander Lukaschenko hat die Präsidentschaftswahlen in Belarus am 11. Oktober 2015 mit 83,5 % der abgegebenen Stimmen gewonnen. Die Motive für den hohen Sieg Lukaschenkos, wie ich sie in vielen Gesprächen mit Wählern erfahren konnte, waren zunächst die Zustimmung der Menschen zum «sozialorientierten Volksstaat», der den Menschen Sicherheit, Stabilität, Vollbeschäftigung, ein kostenloses Gesundheitswesen und Bildungswesen und ein bescheidenes, aber sicheres Einkommen gewährleistet, auf der anderen Seite die beunruhigende internationale Lage: die Migrationskrise und die Euro-Krise in der EU, die Krise im Nachbarland Ukraine und die Kriege in Syrien, Afghanistan und im Irak.
Der österreichische Politologe Christian Haerpfer vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, der die Wahlen als unabhängiger Experte beobachtete, äußerte die Meinung, dass die Wahlen «allen weltweit anerkannten Wahlnormen entsprechen». In einer Nachwahlbefragung (Exit Poll), die er mit westlichen und weißrussischen Mitarbeitern durchführte, kam er fast genau zu dem gleichen Ergebnis wie die Zentrale Wahlkommission.
Die EU wählte diesmal die Taktik, die Opposition nicht wirksam zu unterstützen, sondern auf dem Weg der «soft power» dem Land einen Kredit in Aussicht zu stellen, der allerdings an weitere Schritte der «Demokratisierung» gebunden ist. Die EU beschloss nach der Wahl, die Sanktionen gegen Belarus – EU-Einreiseverbote und Kontosperrungen, von denen 175 Einzelpersonen (Präsident Lukaschenko und alle Führungspersonen des Staates und der Wirtschaft) und 14 Organisationen betroffen sind – zunächst für vier Monate «auszusetzen».
Perspektiven
Belarus versuchte in den letzten Jahren, ein gewisses Gleichgewicht zwischen Russland und der EU aufrechtzuerhalten. Der Begriff der Brücke wurde für die Bestimmung des weißrussischen Platzes in der Geopolitik verwendet, wie Lukaschenko erklärte: «Wir sind die Brücke zwischen Ost und West. Wir können diese Tatsache nicht ignorieren. Das ist unser geopolitischer Platz und unser Erbe.»
In der letzten Zeit lässt sich feststellen, dass das weißrussische Modell eine gewisse Attraktivität auf die Nachbarländer ausübt, während die Zustimmung zur EU bei allen Völkern Ostmitteleuropas sinkt.
- Das stabile Lebensniveau, die Vollbeschäftigung, die Sicherheit und vor allem der souveräne Staat, der seine Grenzen verteidigt, machen einen zunehmenden Eindruck auf Ukrainer, Polen, Tschechen, Slowaken, Ungarn, die baltischen Völker und andere, auch deshalb, weil sie vom westlichen Nihilismus nicht so stark beeinflusst sind. Seit den Wahlen vom 11. Oktober 2015 waren der serbische Präsident, eine slowakische Parlamentsdelegation, der aserbaidschanische Präsident, aber auch eine österreichische Wirtschaftsdelegation in Belarus.
- Lukaschenko ist wohl der einzige Präsident eines ex-sowjetischen Landes, der sowohl im Osten wie im Westen der Ukraine über zahlreiche Anhänger verfügt. Auch unter den globalisierungskritischen Bewegungen des Westens wird Belarus zunehmend als Vorbild erkannt, und es lohnt sich deshalb, dieses schöne Land auch persönlich durch eine Studienreise kennenzulernen.
Prof. Dr. Peter Bachmaier
http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_85d/index.php?id=2318
GEOMETR.IT
1 — Białoruś. Polityka konfesyjna
1 — Беларусь. Дикая охота короля Стаха
Is European Marriage to be ended?
1 — Румыны, революция, лозунги. Что толку?
Belarusian Yin-Yang philosophy